Füllermalerei

Die meisten kennen den Patronenfüller nur als Schreibgerät. Sicher gibt es einige Künstler, die mit dem Füller zeichnen und skizzieren. Aber damit zu malen ist schon etwas Besonderes.

Die besondere Füller-Maltechnik ist aus praktischer Notwendigkeit entstanden. Axel Neumann musste einen Weg finden, wie er die Bilder in seinem Kopf auf Papier bannen könnte. Erfolglos probierte er alle möglichen Werkzeuge durch – bis er schließlich den Patronenfüller für sich entdeckte! Endlich begann der Nebel sich zu lichten.

Doch viele Monate später dann der Schock: Die Tinte begann zu verblassen. Seine ersten Arbeiten verschwanden förmlich vor seinem Auge.

Aber lichtechte Farbe, die eine lange Lebensdauer hat, enthält Pigmente und diese stellen für das feine Kapillarsystem des Füllers eine ziemliche Herausforderung dar. Sie verhaken sich im Füller und verstopfen ihn. Es dauerte weitere zwei Jahre, bis sich endlich seine finale Maltechnik mit einer Acrylfarbe herauskristallisierte. Endlich konnte er anfangen, die Bilder in seinem Kopf abzuarbeiten.

Axel Neumann portraitiert seine Dunkelheitserfahrung mit akribischer Genauigkeit.

Füllergemälde, wie er selber seine Werke nennt, entstehen ohne Vorzeichnung. In sorgsamer Geduld reiht er zahllose feine Striche auf großer Fläche aneinander, keiner größer als 1-2 mm. Seine Füllertechnik lässt sich nicht korrigieren. Ein falscher Strich, eine falsche Farbmischung und die perfekte Oberflächentextur wäre zerstört.

Da der Füller beim Malen nach unten gerichtet sein muss, sind die Maße des Papiers limitiert. So bestehen seine Großformate aus mehreren Teilen, die einzeln gerahmt und erst an der Wand zu einer Einheit zusammengefügt werden.

Ein Füllergemälde wächst heran – Zeitraffer

„Es kann nur das beim Betrachter ankommen, was ich als Künstler in das Bild hineingegeben habe.“ Davon ist Axel Neumann überzeugt.

In monatelangen Malprozessen verbinden sich die zahllosen Füllerstriche zu fein verwobenen Strukturen. Am Ende wirken seine Motive fast dreidimensional. Die Farben quellen aus rotierenden Strudeln hervor, selbstbewusst drängen sie nach Entfaltung und nehmen das ganze Papier in Besitz. Alles in seinen Motiven wächst, vibriert, pulsiert und lebt, während die Farben aus der Tiefe heraus glühen, als wären die Kunstwerke hinterleuchtet.

Erleben Sie in diesem Video in 60 Sekunden das, was im Atelier 2 Monate dauert. Film ab!

Axel Neumann ist ein Grenzgänger, wenn er die Möglichkeiten im Schauspiel wie in der Malerei für sich auslotet. Das heißt, im Malen lässt er Grenzen noch eher hinter sich. Die Regel, wie Acryl funktioniert, verweist er ins Reich physikalischen Irrglaubens. Er ist der Meister, der das Medium beherrscht, nicht umgekehrt. Schon in der überwältigten Technik, in der Machart seiner Kunst liegt eine Magie. Und erst die Bilder selber…!

Beate Lemcke, Kunsthistorikerin, Berlin

Die Sache mit der Berufung

Der Künstler wird oft gefragt, warum er malt. Die Frage überrascht ihn immer wieder. Er malt, weil er malen muss. Seine innere Notwendigkeit ist so resolut, dass er gar nie auf die Idee gekommen ist, sie in Frage zu stellen. Bis heute arbeitet

er daran, die Motive, die er vor rund 33 Jahren während seiner 3-wöchigen Dunkelheitserfahrung gesehen hat, aus seinem Gedächtnis abzumalen. Und er ist noch lange nicht fertig damit!

Axel Neumann sagt, dass er etwas in sich trägt, das ihn dazu zwingt, Künstler zu sein. Es fordert bedingungslose Hingabe an die Aufgabe. Ihm ist die Sache wichtiger, als sein persönliches Befinden.

Für Außenstehende mag das nach Selbstaufgabe und Opfer klingen. Aber das ist nur ein Vorurteil. Demut macht einen Menschen nicht klein und schwach, vielmehr setzt sie enormes Potenzial frei. Und sie schafft Respekt vor dem, was andere erschaffen und auf die Beine stellen.

Sind seine Bilder gezeichnet oder gemalt?

Manche sehen in seinen Werken Grafiken – für uns sind es Gemälde. Diese bewusste Zuordnung orientiert sich an einer gängigen kunsthistorischen Definition von Malerei: Demnach unterscheidet sich ein Gemälde von einer Zeichnung neben dem großflächigen Farbauftrag auch dadurch, dass die Farben vor dem Auftrag gemischt werden.

Bei Axel Neumann durchlaufen die Farben gleich einen mehrstufigen Mischakt, bevor sie auf dem Papier ankommen. Daher bezeichnen wir unsere Maltechnik als »Füllermalerei«.

Oben sehen sie, wie die Farben mit Hilfe von Spritzen gemischt und in leere Patronen gefüllt werden.

Über Farbtöne und Klangfarben

Füllermalerei ist sichtbar gemachte Musik. Denn seit den 3 Wochen in der Dunkelheit kann Axel Neumann Farben nicht nur sehen, sondern auch hören.

Der Fachbegriff dafür lautet »Synästhesie«. Was ein wenig wie eine Krankheit klingt, ist jedoch nur eine physiologische Variante unseres menschlichen Bewusstseins. Dabei stehen Areale im Gehirn, die normalerweise nicht miteinander verknüpft sind, auf besondere Weise miteinander in Verbindung. Das ist nichts Besonderes. Lang andauernder Reizentzug regt häufig neue Verdrahtungen im Gehirn an. Es ist ein weiterer Hinweis darauf, wie viele wunderbare Fähigkeiten in der menschlichen Natur angelegt sind. Sie warten nur darauf, entfaltet zu werden.

Musik und Malerei sind näher miteinander verwandt, als den meisten bewusst ist: Leonardo da Vinci nannte sie sogar Geschwister. Beide bestehen aus Wellen, den sogenannten Frequenzen, die etwas Bestimmtes in uns zum Klingen bringen.

In der Malerei gibt es genauso harmonische Tonfolgen und unangenehme Dissonanzen wie in der Musik. Wir nehmen ihre Schwingungen nur über unterschiedliche Sinnesorgane auf. Auch in der Sprache spiegelt sich diese besondere Verbindung. Wir sprechen von Farbtönen und Klangfarben.

In den monumentalen Werken Axel Neumanns, seinen Symphonien, wird dieses Thema besonders deutlich.

Das Foto rechts zeigt eine kleine Auswahl seiner Farbmischungen. Seine Symphonie No. 4 besteht aus 225 unterschiedlichen Mischungen, beziehungsweise Klangfarben.

Filmportrait »The Art of Darkness« & das Rote Sofa

Wer die Geschichte der Füllermalerei gerne vom Künstler persönlich hören möchte, der kann dies in zwei Videos tun:

  • Künstlerportrait THE ART OF DARKNESS (7 Min.): Der Schweizer Regisseur Nino Valpiani hat insbesondere den Malprozess im Atelier mit sehr feinem Auge eingefangen.
  • NDR-Interview (16 Min.) in zwei Teilen: Die TV Aufzeichnung hat zwar schon ein paar Jährchen auf dem Buckel, ist aber faszinierend wie eh und je. Sie entstand im Vorfeld seiner Ausstellung in der Galerie Sichtbar in Hamburg, die seine wunderbare Schauspielkollegin Cosma Shiva Hagen für ihn ausgerichtet hat.

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